Hermann-Meyer-Str. 87
Über das Leben von Sheindel Bünning ist momentan nicht viel bekannt. Wahrscheinlich lebte sie in eher bescheidenen Verhältnissen in den Meyerschen Häusern. Ihre Verhaftung und die anschließende Deportation ins Konzentrationslager war wahrscheinlich auf eine Denunziation von Nachbar*innen zurückzuführen. Die Tatsache, dass in ihrem Haus auch der Blockleiter Richard Grusenik lebte1, der für die Überwachung seiner Umgebung zuständig war, lässt diese Vermutung als wahrscheinlich erscheinen.
Sheindel Anna Bünning war Arbeiterin und lebte in der Ringstraße 87 (Heute Hermann-Meyer-Straße 87) in den Meyerschen Häusern. Über ihr Leben ist nicht viel bekannt. Sie kam aus einer jüdischen Familie und wurde am 19.10.1883 in Wilczyce in Galizien geboren. Wann sie nach Leipzig kam ist nicht bekannt. Ihr Geburtsname war Mannheimer, im Adressbuch ist sie als Witwe verzeichnet.2
Am 04.04.1939 wurde sie wegen angeblicher „Begünstigung zur Rassenschande“ verhaftet und wurde für 4 Monate in der Untersuchungshaftanstalt Leipzig I festgehalten.3 Es existieren keine Gerichtsurteile oder andere Unterlagen zu diesem Fall. Seit 1935 standen Beziehung zwischen jüdischen und nicht jüdischen Personen unter Strafe. Das Strafgesetzbuch der Nationalsozialisten sah dafür eine Strafe von bis zu 15 Jahre vor, die aber selten ausgesprochen wurde.
Ebenfalls im Gesetz verankert war, dass diese Strafe nur für den männlichen Teil der Beziehung galt. Frauen wurden in der Regel wegen „Begünstigung“ angeklagt und oft bis Ende des Prozess gegen den Freund oder Liebhaber in Haft genommen. Für eine Verurteilung mussten keine gemeinsamen sexuellen Handlungen nachgewiesen werden. Es reichte, sich zu küssen oder Zärtlichkeiten auszutauschen.5 Daher scheint es naheliegend, dass Sheindel Bünning aufgrund einer Beziehung zu einem nicht jüdischen Mann in die Vernichtungsmühlen der Nationalsozialisten geriet. Knapp ein halbes Jahr später, im Februar 1940, wurde sie erneut verhaftet und in das Frauengefängnis Leipzig gebracht.6 Zu dieser Zeit ist sie bereits Rentnerin. Von Leipzig aus wurde sie in das KZ Ravensbrück deportiert, wo sie am 07.06.1942 starb.
Quellen:
- Sächsisches Staatsarchiv, StA-L,21700 SED, Sammlung Namentliche Aufstellungen, Nr. 21 ↩︎
- Leipziger Adressbuch von 1940, Eintrag Ringstr. 87 ↩︎
- Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20035 Untersuchungshaftanstalten Leipzig, Nr. 405 ↩︎
- ebd. ↩︎
- Alexandra Przyrembel: „Rassenschande“. Reinheitsmythos und Vernichtungslegitimation im Nationalsozialismus. Göttingen 2003 ↩︎
- Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20031, Polizeipräsidium Leipzig, 03.02 Gefangenentagebücher, Nr. PP-S 8502 – 8533, Gefangenentagebücher des Polizeigefängnisses, Staatsarchiv Leipzig ↩︎
- „Domaine du rêve“ (Reich der Träume), 1946/47 aus Violette Lecoq : Témoignages – 36 Dessins à la plume, Paris 1948 ; Verbleib des Originals unbekannt1. Mit freundlicher Genehmigung der Gedenkstätte Ravensbrück ↩︎