Max & Martha Abramowitz

Baumannstraße 14


Auf einer Liste, die Ende April 1945, knapp eine Woche nach der Befreiung Leipzigs, vom National-sozialismus, auf einer Schreibmaschine mitten in den Trümmern der ehemals reichen Messestadt getippt wurde, stehen 16 Namen. Einer davon lautet „Abramovic“. Er steht für Martha und Max Abramowitz. Die Überschrift lautet: Liste der in Leipzig vorgefundenen Juden. Von über 11 000 Menschen, die 1933 zur jüdischen Bewohnerschaft Leipzigs gezählt wurden, war Max Abramowitz einer der wenigen Überlebenden.

Kindheit in Kleinzschocher

Martha Abramowitz 19452

von Halle Nach Leipzig

In dem Geschäft von Chaim Reiss, Am Brühl 71, begann Max Abramowitz 1912 seine Ausbildung. 6

Ich wollte noch von Herrn Weil erzählen. Dieser kam eines Tages […] und war ganz traurig. Er erzählte, dass es jetzt soweit wäre. Er hatte an diesem Tag einen Gerichtstermin und wurde von seiner nichtjüdischen Frau geschieden. Er hatte Angst, da er nun nicht mehr in einer „Mischehe“ lebte und dadurch nicht mehr geschützt war. Er fürchtete nun, mit dem nächsten Transport fortgeschafft zu werden. Es war ja so, dass die Frauen zur Gestapo bestellt und aufgefordert wurden, sich von ihren jüdischen Männern scheiden zu lassen. Einige haben diesen Schritt getan, viele haben es nicht getan. Diesen Frauen ist es sehr hoch anzurechnen. Ich erinnere mich zum Beispiel noch an Martha Abramowitz und Erna Rosenthal. Weil war ganz bedrückt. Ein, zwei Tage später, er wohnte in der Nordstraße 11, hat er sich aus dem zweiten Stock in den Hof gestürzt. Er war sofort tot.8

Rolf Kralowitz 2006
Max Abramowitz9

Zwangsarbeit und HUnger


1940 wurde Max zum Arbeitseinsatz auf dem Leipziger Südfriedhof verpflichtet. Bereits seit 1938 war es
üblich, jüdische Erwerbslose zu harter körperlicher Arbeit bei
geringer Entlohnung zu verpflichten. Oftmals wurden die so zur
Zwangsarbeit gezwungenen während der Arbeit schikaniert und
misshandelt. Abramowitz war zu diesem Zeitpunkt schon sehr krank. Als Jude wurde ihm die Behandlung durch einen Facharzt, der sein Ischias-Leiden hätte lindern können, jedoch verwehrt. Auch die unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln trug nicht zur Besserung seines Zustandes bei. Seit dem Sommer 1939 sind Lebensmittel in Deutschland rationiert. Es werden Lebensmittel- karten ausgegeben. Jüdinnen und Juden bekamen gesonderte Zuteilungen, die in der Regel um einiges geringer waren, zu vielen Lebensmitteln haben sie keinen Zugang mehr. Max und seine Frau Martha erhielten bei der Lebensmittelzuteilung kein Fleisch, Gemüse, Eier oder weißes Brot.

Max’ Gesundheitszustand verschlechterte sich immer mehr. Bald war er kaum noch arbeitsfähig. Auch Kleidung bekam man zu dieser Zeit nur über Kleiderkarten. Den Abramowitz’ wurden diese Karten nicht ausgestellt. Auf offiziellem Weg war es ihnen nun nicht mehr möglich, neue Kleidung zu bekommen. Durch die antisemitischen Gesetze der Nazis wurden sie zudem systematisch beraubt. Nicht nur wurde ihre Arbeitskraft ausgebeutet – Martha Abramowitz wurde ab 1943 ebenfalls zum Arbeitseinsatz in einer Färberei verpflichtet –, sie mussten auch zusätzliche Steuern bezahlen.

Isolation und Verzweiflung

Das Radio der Familie wurde eingezogen und im extrem kalten Winter von 1941/42 mussten sie sämtliche Winterkleidung abgeben. Auch wurde die Zuteilung für Kohle und Brennmaterial empfindlich gekürzt. Max war bald kaum noch arbeitsfähig, mittlerweile musste er in einer Rauchwarenfärberei arbeiten, konnte jedoch nur noch die Hälfte der Arbeitszeit eingesetzt werden. 1942 musste das Ehepaar auch ihre Wohnung verlassen, sie bekamen ein Zimmer in einem der sogenannten Judenhäuser in der Humboldtstraße 10 zugewiesen.10 Viele der Bewohner:innen dieser Häuser werden von dort aus in die verschiedenen Vernichtungslager deportiert. Die dauerhafte Bedrohung ebenfalls deportiert zu werden, muss eine kaum nachvollziehbare Belastung gewesen sein.

Das Haus in der Humboldtstraße 10 war eines von 47 Judenhäusern in der Leipziger Nordvorstadt

Kurze Freiheit

Das Grab von Martha und Max Abramowitz auf dem Neuen Israelitischen Friedhof.

Quellen:

  1. Leipziger Adressbuch von 1906 bis 1943  ↩︎
  2. Sächsisches Staatsarchiv, 20237 Bezirkstag / Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 17525 ↩︎
  3. Sächsisches Staatsarchiv, Sta-L, 20031 Polizeipräsidium Leipzig, PP-M1 ↩︎
  4. IHK Nordsns: Sächsisches Staatsarchiv, 20242 Industrie- und Handelskammern Nordwestsachsens, Nr. 0424 ↩︎
  5. Sächsisches Staatsarchiv, 20237 Bezirkstag / Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 17525 ↩︎
  6. Sächsisches Staatsarchiv, Sta-L, 20031 Polizeipräsidium Leipzig, PP-M1 / Bild: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig F/7937/2005 ↩︎
  7. Sächsisches Staatsarchiv, 20237 Bezirkstag / Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 17525 ↩︎
  8. Rodekamp Volker, Spuren jüdischen Lebens in Leipzig, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig , 2020, Leipizg ↩︎
  9. Sächsisches Staatsarchiv, 20237 Bezirkstag / Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 17525  ↩︎
  10. Sächsisches Staatsarchiv, 20237 Bezirkstag / Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 17525 ↩︎
  11. http://www.irg-leipzig.de/page/geschichte ↩︎
  12. Sächsisches Staatsarchiv, 20237 Bezirkstag / Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 1752 ↩︎
  13. Sächsisches Staatsarchiv, 20242 Industrie- und Handelskammern Nordwestsachsens, Nr. 0424 ↩︎