Familie David

Klarastraße 2

Martha und Hermann lernten sich wahrscheinlich während des Militärdienstes von Hermann in Leipzig kennen. Sie hatten einen gemeinsamen Sohn, Rolf David. Seit 1919 wohnte das Ehepaar in Kleinzschocher. Zunächst im Schönauer Weg und ab 1930 in der Klarastraße 2. Hermann kam aus einer jüdischen Familie, er war Mitglied der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig. Martha kam aus einem christlichen Elternhaus. Beide waren Mitglieder der Sozialdemokratischen Partei. Zusammen mit ihrem Sohn Rolf schafften sie es unter widrigsten Umständen, die NS-Zeit in Leipzig zu überleben, bis Hermann und Rolf am 14.02.1945 mit dem letzten Deportationszug in das KZ Theresienstadt verschleppt wurden.

Der Soldat aus Hannover

Die Kaserne in Möckern in der Hermann David stationiert war 2

1919 wurde Hermann aus dem Heer entlassen. Die Familie zog nach Kleinzschocher in den Schönauer Weg. 1930 dann in die Klarastraße 2. Einer ihrer Nachbarn, Kurt Hermann Voigt, war ein notorischer Antisemit. Er sollte fast 10 Jahre später die sogenannte Judenstelle der Stadt Leipzig leiten. Voigt war einer der unzähligen Schreibtischtäter wären des Nationalsozialismus und zusätzlich Blockleiter in der Klarastraße. Er war mitverantwortlich dafür, dass die Familie fast zwei Jahre unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Leichenhalle des Alten Israelitischen Friedhofs hausen musste.

Durchhalten mit allen Mitteln

Wie die Familie David es schaffte sich durch die Jahre der Nazidiktatur zu bringen, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Martha David schreibt in ihren Erinnerungen von regelmäßigen Hausdurchsuchungen. Auch wurde Druck auf sie ausgeübt sich von ihrem Mann scheiden zu lassen, was für Hermann und auch ihren Sohn Rolf mit ziemlicher Sicherheit den Abtransport in eines der Vernichtungslager der Nationalsozialisten bedeutet hätte. Sie blieb standhaft und rettete so ihre Familie.

Martha David nach 1945

Das Novemberpogrom vom 09. November 1938, das in verschiedenen Stufen über mehrere Tage dauerte, läutete den finalen Schritt zur Vernichtung der europäischen Juden ein. Hermann David wurde am 11. November 1938 verhaftet und für drei Monate im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert. Es gab weder eine Anklage noch eine Verhandlung. Seine jüdische Herkunft war ausreichend um seine Haft zu rechtfertigen. Insgesamt wurden in diesen Tagen in Leipzig bis zu 550 meist männliche Juden verhaftet. Darunter auch mehrere Nachbarn der Hermanns.

Entrechtung und Verfolgung

Kurz nachdem Hermann David im Januar 1939 wieder aus Sachsenhausen entlassen wurde, wurde die Familie gezwungen ihre Wohnung in Kleinzschocher zu verlassen. Zudem wurde Hermann und Rolf untersagt ihre Berufe weiter auszuüben. Die Familie bekam ein Zimmer in der Hindenburgstraße. 12 (heute Friedrich-Ebert-Straße) zugewiesen. In dem Haus wohnten noch weitere jüdische Familien, die ebenfalls aus ihren Wohnungen vertrieben wurden. Auch Rolf durfte seinen gelernten Beruf nicht mehr ausüben und musste von nun an, anstatt Pelze zu verarbeiten, im Steinbruch, beim Kohleabbau oder in der Fabrik arbeiten.

Vater Hermann wurde 1940 zur Zwangsarbeit in der städtischen Arbeitsanstalt in der Riebeckstraße verpflichtet. Dort musste er harte körperliche Arbeit leisten und verdiente fast nichts, sein Wochenlohn betrug 3 Reichsmark. Etwaiges Vermögen von Jüdinnen und Juden war zu diesem Zeitpunkt bereits eingefroren. Wer auf sein Geld zugreifen wollte, musste einen Antrag stellen. Falls dieser überhaupt genehmigt wurde, musste damit gerechnet werden, dass erhebliche Gebühren anfielen.

Rolf David nach 1945

Bei einem Luftangriff wurde das Haus in der Hindenburgstraße ausgebombt. Die Familie wurde gezwungen in einem Verwaltungsgebäude im Alten Israelitischen Friedhof zu leben. Als dieses durch einen Bombenangriff 1943 zerstört wurde, blieb der Familie als Unterkunft lediglich die Leichenhalle. Die Behörden wussten von diesem Umstand, unternahmen aber nichts dagegen. Einer der Verantwortlichen war, wie bereits erwähnt, der ehemalige Nachbar der Familie Kurt Hermann Voigt. Er war eine der treibenden Kräfte hinter der Vertreibung der Leipziger Jüdinnen und Juden aus ihren Wohnungen:

Voigt beteiligte sich auch aktiv an der Vernichtung Leipziger Jüdinnen und Juden. Bei der Organisation der Deportationen erhielt Voigt die Listen im Vorhinein und ergänzte die Listen um zusätzliche Namen. Unter anderem setzte Voigt die Namen der Menschen auf die Liste, die versucht hatten sich gegen die Maßnahmen die unter seiner Leitung gegen Leipziger Jüdinnen und Juden durchgeführt wurden zu wehren.5 Kurt Hermann Voigt war einer der tausenden kleinen Herren über Leben und Tod, der sich hinter einem Schreibtisch verschanzte und mittels Füller und Tinte unsägliches Leid verursachte.

Kurz vor Kriegende am 14.02.1945 wurden Hermann und Rolf David mit dem letzten Transport aus Leipzig in das Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. In dem vollkommen überbelegten Lager, litten die Insassen an Hunger und den schlechten hygienischen Zuständen. Beide trugen ein lebenslanges Magenleiden davon. Sie überlebten auch diesen letzten Versuch der Vernichtung.

Befreiung & Kontinuitäten

Hermann David nach 1945

Rolf David, der sich zunächst aktiv am Aufbau der DDR beteiligte floh 1956 in die BRD. Hermann David litt schwer an den Folgen des KZ Aufenthalts und infiziert sich 1948 mit Tuberkulose. In einer Beurteilung, die durch ein Mitglied der SED über ihn vorgenommen wurde ihm vorgeworfen:

Quellen:

Soweit nicht anders angegeben:
Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20237 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig Nr. 6531
Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20237 Berirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig Nr. 12888

  1. Kürschner Dieter, 1998, Die Möckernschen Kasernen, Bürgerzeitung für Möckern und Wahren Nr. 32, Bürgerverein Möckern und Wahren, Leipzig, S. 14 ↩︎
  2. Stadtgeschichtliches Museum, Fotothek,F/936/2004 ↩︎
  3. Sächisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, Online Ausstellung: Strukturen der Macht. Die Verfolgung Leipziger Juden 1938/39, Zeittafel zur Judenverfolgung 1933 – 1945 ↩︎
  4. Held, Steffen, überarbeitete elektronische Ausgabe 2011, Die Leipziger Stadtverwaltung und die Deportation der Juden im NS-Staat, Herausgeber: Dr. Volker Rodekamp Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums Leipzig ↩︎
  5. Ebd. ↩︎
  6. Dr. Haury, Thomas, 2006, Antisemitismus in der DDR, Bundeszentrale für politische Bildung ↩︎
  7. Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 20237 Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig Nr 6531 ↩︎
  8. Diamant, Adolf, 1993, Chronik der Juden in Leipzig, Verlag Heimatland Sachsen GmbH Chemnitz, S.368 ↩︎
  9. Unger, Manfred, Lang Huber, 1988, Juden in Leipzig – eine Dokumentation, Hrsg. Rat der Stadt Leipzig, Leipzig. ↩︎