Josef Moses Beril

Klara Straße 21

Im Jahr 1914 kam die Familie Engler von Czernowitz nach Leipzig. Abraham Engler, ein orthodoxer Jude, wurde in Leipzig zum erfolgreichen Geschäftsmann. Er importierte Getreide, sein Geschäft und Wohnhaus war in der Färberstr. 12, in der Leipziger Nordvorstadt. Einer seiner Söhne, war Josef Moses Beril. Josef kam 1919 nachdem er als Soldat im Ersten Weltkrieg gedient hatte, ebenfalls nach Leipzig und eröffnete eine Juwelen- und Diamantengroßhandlung in der Hainstraße. Als Jude wurde er mit allen Mittel von den Nazis aus dem wirtschaftlichen Leben herausgedrängt und kriminalisiert. Am 29.07.1941 wurde er im KZ Buchenwald ermordet.

Kindheit in Galizien

Josef Moses Beril wurde am 22.02.1885 in Tscherniwzi (damals Czernowitz) in der Ukraine geboren. Zum Zeitpunkt seiner Geburt gehörte die Stadt noch zu Österreich-Ungarn. Aufgrund des hohen Anteils an jüdischen Bewohner:innen von knapp 30% trug die Stadt zu dieser Zeit den Beinamen „Klein-Jerusalem“. Czernowitz war ein Melting Pott, die Bewohner:innen sprechen polnisch, rumänisch, ukrainisch, deutsch und jiddisch. Die Alltagssprachein Czernowitz war deutsch, wir können also davon ausgehen, dass Josef Beril deutschsprachig erzogen wurde.

Laut eigner Aussage wuchs Beril als uneheliches Kind in Armut auf. Er hatte neun Geschwister, die später zum Teil auch in Leipzig wohnten. Seine Mutter Chaja (Klara) Engler starb im Alter von 37 Jahren am sogenannten Kindbettfieber.1 Beril selbst gab den Todesort mit Innsbruck an andere Quellen verzeichnen Czernowitz.2

Sein Vater war Abraham Engler, geboren 1856 in Sadagora, in der heutigen Ukraine. Ab 1917 betrieb er eine Getreidehandlung in der Färberstraße 12 in Leipzig. Bis 1933 war er für diese Adresse als Händler angegeben, später als Privatmann. Ab 1936 findet sich für ihn kein Eintrag mehr.3 Er starb im November 1939, nach Angaben seines Sohnes Berils an einem Herzschlag und wurde auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Leipzig begraben.4 Ein weiterer Sohn, Osais Engler, beschrieb den Tod seines Vaters als Folge der permanenten Repression durch die Nazi. 5 Seine letzte Adresse war in der Eberhardstraße 9.6

Das Wohn- und Geschäftshaus der Familie Engler in der Färberstraße 12

Josef Moses Beril kamt im Jahr 1919 nach Leipzig. Zuvor diente er als Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg. In Leipzig eröffnete er in der Hainstraße 10 eine Großhandlung für Juwelen und Brillanten. Irgendwann im Laufe der Jahre heiratete er Selma Kellmann, die Ehe wurde allerdings wieder geschieden. Wie lange die Ehe dauerte und warum die Scheidung erfolgte, ist nicht bekannt. Im Jahr 1931 ging Beril allerdings das Geld aus. Er konnte nur einen kleinen Teil seiner Ausstände bezahlen, der Rest der Schulden wurde gestundet, er musste sie erst zurückzahlen, als sein Geschäft wieder besser lief. Er wechselte die Branche und handelt vor allem mit Gold und Trödel. Fast vier Jahre lang, bis 1934 befand er sich in einer Art Privatinsolvenz. In seinem Geschäft wurde Gold eingeschmolzen und bearbeitet, sowie Edelsteine be- und umgearbeitet. Er beschäftigte zwei Angestellte, einen Buchmacher und einen Goldschmied. Ab 1936 handelte er dann vor allem mit Juwelen und hielt vorwiegend in Berlin auf, wenn er in Leipzig war, wohnte er wahrscheinlich in seinem Geschäft in der Hainstraße.7 In Berlin lernte er seine Verlobte Lotte Steigmann kennen, mit der er in Berlin am Hohenzollerndamm 36 eine gemeinsame Wohnung unterhielt.

Geschäftshaus in der Hainstraße 10 um 19088

1937 mietete er eine Wohnung in Kleinzschocher in der Klarastrasse 21, sein letzter selbstgewählter Wohnort. Am 15.1.1938 wurde er auf Anweisung der Leipziger Zollfahndungsbehörden in der Berliner Wohnung verhaftet. Ihm wurde vorgeworfen nach Deutschland eingeschmuggelte Diamanten gekauft zu haben. Wenige Tage später wurde er nach Leipzig in die Untersuchungshaftanstalt gebracht. Obwohl er mit den Ermittlern zusammenarbeitete und auch nach Meinung der Generalstaatsanwaltschaft Dresden nicht genug belastendes Material gegen Beril vorlag, wurde seine Untersuchungshaft aufrecht erhalten. Zudem wurden im Lauf der Ermittlungen fast 15.000 Reichsmark aus Berlis Vermögen beschlagnahmt, was eine Flucht deutlich erschwert hätte . Die Behörden, allen voran der ermittelnde Zollinspektor Teichmann, plädierte jedoch mit Verweis auf Berils jüdische Herkunft auf die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft.

Briefkopf der Juwelen und Brillianten Großhandlung Josef Beril 9

„Da Beril Jude ist und Diamanten […] sowie Bargeld bei sich führt, besteht die Gefahr, dass er bei Entlassung aus der Haft sich seiner Strafverfolgung durch die Flucht entzieht und Vermögenswerte ins Ausland verbringt.“

Zollinspektor Teichmann, Zollfahndungstelle Leipzig10

Nachdem sowohl die Zollbehörden als auch die Kriminalpolizei und die Gestapo vier Monate lang fieberhaft ermittelt hatten, konnte Beril nicht nachgewiesen werden, dass er wissentlich geschmuggelte Ware ge- und verkauft hatte. Trotzdem klagten ihn die Behörden an. Er hatte Edelsteine bei einem Berliner Privatmann gekauft, dem ebenfalls nicht nachgewiesen werden konnte, das er die Ware unter Umgehung des Zolls nach Deutschland gebracht hatte, Beril hätte jedoch aus den Umständen des Kaufs, wissen müssen, dass die Steine eventuell geschmuggelt worden waren. Dafür und wegen der Nichtanmeldung von Platin- und Silberankäufen, wurde er im Januar 1939 vom Landgericht Leipzig zu einer Geldstrafe von rund 420 000 Reichsmark und vier Monaten Gefängnis verurteilt. Wegen seiner einjährigen Untersuchungshaft wurden ihm 4 Monate Freiheitsstrafe und 20.000 Reichsmark Geldstrafe erlassen. Insgesamt verbrachte er trotzdem 10 Monate im Zuchthaus Bautzen, da er die Geldstrafe nicht bezahlen konnte. Noch während er in Haft war, wurde eine Steuerprüfung in Berils Betrieb vorgenommen. Da er selbst während der Ermittlungen angegeben hatte, kleinere Gewinne aus Kommissionsgeschäften nicht ordnungsgemäß verbucht zu haben, erklärten die Beamten seine Abrechnungen für unglaubwürdig und schätzen seine Einnahmen. Kurz nach dem Ende seiner Strafe am 30.10.1939 wurde er erneut angeklagt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Umsätze seines Geschäfts in den letzten drei Jahren fast viermal so hoch gewesen sein mussten als angegeben. Zwar gaben die Bücher keinen Anlass dafür, jedoch wurde die „allgemeine Lebenserfahrung“ des prüfenden Sachbearbeiters herangezogen, die besagte, dass der Betrug nicht nur in einem Jahr stattgefunden haben konnte. Beril wurde erneut verurteilt. Zwar ging er in Berufung, doch das änderte am Urteil nichts. Seinem nichtjüdischen Buchhalter hingegen, der die Bücher führte und dem Beihilfe zum Steuerbetrug angelastet wurde, wurde mit Hinweis auf seine Teilnahme am Ersten Weltkrieg eine mildere Strafe zugesprochen und diese dann aufgrund einer allgemeinen Amnestie annulliert. Die Teilnahme von Josef Beril am Ersten Weltkrieg wirkte sich nicht mildernd auf seine Strafe aus. Er wurde zu 6 Monaten und 160 Tagen Haft verurteilt und am 05.06.1940 in das Zuchthaus Zwickau eingeliefert. Unklar ist ob Beril seit seiner Verhaftung im Jahr 1938 nochmals entlassen wurde oder seitdem in Haft war. Eine Notiz in seiner Akte hält lediglich fest: In Haft seit: 15.01.1938.11

Eintrag im Leipziger Adressbuch von 193812

Ursprünglich war seine Entlassung für den November 1940 vorgesehen. Der Termin wurde jedoch immer wieder verschoben. Im April 1941 soll er dann endgültig entlassen werden. Er sitzt nunmehr schon fast dreieinhalb Jahre in Haft. Seine Angehörigen waren in dieser Zeit nicht untätig. Josef Beril sollte in einem Umschulungslager der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland eine landwirtschaftliche Ausbildung erhalten um dann nach Palästina auszuwandern. Jedoch wird ihm kurz vor der Entlassung aus dem Gefängnis in Zwickau seine Ausweisung aus dem Deutschen Reich mitgeteilt. Der Zwickauer Polizeipräsident verfügt seine Überführung in die Untersuchungshaftanstalt Zwickau. Er wurde aus dem Zuchthaus entlassen und am 18.04.1941 direkt dorthin überstellt. Nach drei Monaten wurde er im Juli 1941 von dort als Abschiebehäftling von der Kriminalpolizei Leipzig ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Dort hat er die Häftlingsnummer 4546. Er wird einem Arbeitskommando zugeteilt. Der Schriftsteller und Häftling im Konzentrationslager Buchenwald, Eugen Kogon, beschreibt wie diese Einteilung vorgenommen wurde.

Die [in KZ Buchenwald] Neuangekommenen hatten am Morgen nach ihrem ersten Apell […] anzutreten. […] „Facharbeiter heraustreten“. Wer bescheid wusste, meldete sich auch wenn er nichts von einem Handwerk verstand. […] Fachkräfte kamen in die Werkstätten, was in jedem Fall einer Art Lebensversicherung gleichkam. Denn der ganze Rest wurde ohne jede Rücksicht auf körperliche Beschaffenheit […] unter Prügeln gerade den schwersten Arbeiten , wie Steinbruch und Schachtkommandos, zugwiesen. Angehörige der Intelligenzberufe und Brillenträger, waren von vornherein auf die Bahn des Untergangs gestoßen[…].

Eugen Kogon, Der SS Staat

Beril war Brillenträger, litt an einer Herzschwäche und war als Jude noch mehr der Willkür und der Grausamkeit der SS-Schergen ausgesetzt. Nach zwölf Tagen im Konzentrationslager Buchenwald starb Josef Moses Beril dort am 29.07.1941. Offiziell wurde als Todesursache Herzwassersucht angegeben.13 Er wurde auf dem Alten Jüdischen Friedhof in Leipzig beigesetzt.14 Sein letzter Besitz wurde nach Braunschweig zu seiner Schwester Netty Tepper geschickt. Sie und ihr Mann Samuel Tepper wurden im März 1942 ins Warschauer Ghetto deportiert.15 Vermutlich kamen sie dort um. Nach der Deportation verliert sich ihre Spur. Seine Schwester Rosa, die mit ihrem Mann Moritz Neger in Leipzig lebte, starb nach dem Krieg in Chile.16

Berils Schwester Netty und ihr Ehemann Samuel Tepper.17

Berlis Verlobte, Lotte Steigmann, wird 1943 von Berlin in das Konzentraionslager Ausschwitz deportiert und dort ermordet.18

Quellen

  1. Sächsisches Staatsarchiv, StaC, 30071 Zuchthaus Zwickau Nr. 905 ↩︎
  2. https://www.geni.com/people/Moses-Josef-Beril/6000000023744153912(Stand 2023) ↩︎
  3. Leipziger Adressbuch, https://adressbuecher.sachsendigital.de/ ↩︎
  4. https://gedenkbuch.leipzig.de/Details.aspx?id=bb7bb0bb-bd99-434c-8002-f705421077dd / Sächsisches Staatsarchiv, StaC, 30071 Zuchthaus Zwickau Nr. 905 (Stand 2023) ↩︎
  5. Korrespondezn Osais Engler – Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig, 1957, Archiv der Israelitischen Religionsgemeinde zu Leipzig ↩︎
  6. https://www.mappingthelives.org/bio/92629b03-cca8-4952-95bb-b6ff8003d6e1(Stand 2023) ↩︎
  7. Sächsisches Staatsarchiv, Sta-C, 30071 Zuchthaus Zwickau Nr. 905 ↩︎
  8. SGM ↩︎
  9. SächsSta-L, Oberfinanzpräsident Leipzig, Nr. 1324 ↩︎
  10. Sächsisches Staatsarchiv, Sta-C, 30071 Zuchthaus Zwickau Nr. 905 ↩︎
  11. Ebd. ↩︎
  12. Leipziger Adressbuch von 1938 ↩︎
  13. Akte von BERIL, JOSEF, geboren am 22.02.1885, 1.1.5.3 Individuelle Unterlagen Männer Buchenwald/ 5521401 (JOSEF BERIL)/ ITS Digital Archive, Arolsen Archives ↩︎
  14. https://www.alter-israelitischer-friedhof-leipzig.com/de/grabstaette/130537 ↩︎
  15. https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de981852 / https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de981854 ↩︎
  16. Digitaler Bestand, Meldekartei der Israelitischen Religionsgemeinde Leipzig, Rosa Neger,  7.5.4 Leipzig, Archiv der Israelitischen Religionsgemeinde / 129827443/ ITS Digital Archive, Arolsen Archives ↩︎
  17. https://www.myheritage.de/research/collection-40000/geni-welt-stammbaum?itemId=214082926&action=showRecord
    Netti Tepper (geb. Berl) ↩︎
  18. https://www.bundesarchiv.de/gedenkbuch/de1165761 ↩︎