Wigandstraße 19
Karl Heft war einer der vielen „kleinen Leute“ die bereit waren ihr Leben und ihre Freiheit zu riskieren um sich gegen die verbrecherische und menschenverachtende Politik der Nationalsozialisten zur Wehr zu setzten. Zschocher war, vor allem in den Jahren 1933/34 gezielt der Repression der Nationalsozialisten ausgesetzt. Es galt als „Rotes Viertel“. Zahlreiche Personen wurden von den Nazis in Konzentrationslager und Zuchthäuser verschleppt.
von der Landarbeit in die Fabrik
Karl Friedrich Heft wurde am 23.07.1890 in Gleina/Thüringen als Sohn einer kinderreichen Landarbeiterfamilie geboren und zog 1907 nach Leipzig– Leutzsch. Dort machte er eine Ausbildung zum Metallarbeiter und kam mit den Ideen der Arbeiter:innenbewegung in Kontakt.1 Wahrscheinlich trat er in dieser Zeit der SPD bei. Nach seinem Militärdienst 1910 bis 1912 in Riesa zog er wieder nach Leipzig, diesmal nach Lindenau. Im Jahr 1914 heiratete er seine Frau Agnes und seine Tochter Hildegard wurde geboren.
Bei ihrer Geburt war er bereits „zum Heere einberufen“ und kämpfte seit August 1914 an der Westfront .2 Auch während des Krieges blieb er seiner politischen Einstellung treu. Zwischen 1916 und 1918 bekamen Agnes und Karl zwei Söhne, die beide im Säuglingsalter starben. Dies ist ebenso ein Hinweis auf die ärmlichen Verhältnisse, in denen beide lebten, wie der häufige Wohnungswechsel: innerhalb kurzer Zeit wohnte die Familie in der Karl-Heine-Straße, Gutsmuths-, Albertiner- (heute Erich-Köhn-Str.) und der Calviniusstraße.3
Der Traum von einer Besseren Welt
1918 wurde er Mitglied der USPD und war Mitbegründer des Spartakusbund für den Leipziger Westen. Auch nach dem Aufgehen des Spartakusbund in der 1919 gegründeten Kommunistischen Partei Deutschland blieb er zunächst USPD-Mitglied.4 Laut Angaben seiner Angehörigen, hätte er auf dem Parteitag der USPD 1920 in Halle, in seiner Funktion als Delegierter für den Leipziger Westen, für die Vereinigung mit der KPD gestimmt. Allerdings ist sein Name nicht auf der Delegiertenliste des Parteitags vermerkt. Kurz darauf wurde er Mitglied der KPD und übernahm die Leitung der Ortsgruppe Kleinzschocher. Im gleichen Jahr kämpfte er gegen die Kapp-Putschisten und nahm am Mitteldeutschen Aufstand teil.5
1921 zog die Familie nach Kleinzschocher in die Schwartzestraße 6 und dann in die Wigandstraße 19, wo sie auf politisch Gleichgesinnte trafen und sich eine solidarische Hausgemeinschaft bildete. Ein Nachbar Karl Hefts, Karl Schmidt, wurde später ebenfalls verhaftet und wegen Hochverrats 1936 zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Familie Heft wohnte dort bis in die 1960er Jahre.6
1924 führte er einen Protestzug Leipziger Antifaschist:innen nach Halle an, um dort den „Deutschen Tag“ zu stören, der von der „Vaterländischen Vereinigung Mitteldeutschland“ veranstaltet wurde. Diese feierte die Wiedereinweihung eines Denkmals für den Weltkriegsgeneral Moltke, das wenige Monate vorher von vier kommunistischen Lehrlingen gesprengt worden war. Zusammen mit Arthur Voigt leitete Heft die Leipziger Arbeiter:innen zu Fuß nach Halle, wo sie um 5 Uhr morgens ankamen, dort jedoch von der Polizei umzingelt, verhaftet und bis zum Abend in Gewahrsam genommen wurden.8 Bei Zusammenstößen mit der Polizei im nahegelegenen Ammendorf starben an diesem Tag drei Gegendemonstranten, es gab zahlreiche Verletzte und über 460 Verhaftungen.9
Spätestens seit 1925 arbeitete Karl Heft in den Wommer Werken, die sich auf die Herstellung von Fleischereimaschinen spezialisiert hatten, wahrscheinlich war er in der Zweigstelle in der Gießerstraße 47 tätig. Sein politisches Engagement konzentrierte sich nun auf seine Arbeitsstelle, er leitete eine kommunistische Betriebszelle, war Betriebsrat und organisierte Streiks.10 Aufgrund seiner Betätigung wurde er 1928 entlassen und war von da an arbeitslos. Daraufhin wurde er Mitglied im Rotfrontkämpferbund, dem Wehrverband und der Schutztruppe der KPD und befreundete sich mit Kurt Kresse, Karl Enders und Georg Schumann.11
Illegale Arbeit & Verhaftung
Nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wurde er aufgrund der Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 zum ersten Mal verhaftet. Nach zwei Wochen Internierung und Verhören wurde er entlassen. Die Nationalsozialisten verboten die KPD kurz darauf. Heft blieb jedoch mit seinen früheren Genoss:innen in Kontakt und unterstützte sie zunächst durch kleinere Geldbeträge und wahrscheinlich durch das Verteilen von Propagandamaterial. Im November 1933 wurde er erneut verhaftet und für sechs Wochen im KZ Sachsenhausen interniert. Dort wurde er, nach der Aussage seiner Frau Agnes Heft, von der Gestapo verhört und gefoltert . Seine Tochter Johanna schildert die Verhaftung folgendermaßen:
„Wir Kinder waren Freidenker-Pioniere und wußten um die politische Tätigkeit meines Vaters. Im November 1933 wurde zu früher Morgenstunde energisch an die Korridortür gepocht. Als meine Mutter öffnete, drangen Beamte der Gestapo in unsere Wohnung ein und begannen ohne Umschweife, meinen Vater zu verhaften. Ich war wie gelähmt, da ich am Vortage unter einer Decke im Wohnzimmer Flugblätter entdeckt hatte. Schon steuerte ein Beamter auf die bewusste Stelle zu. Doch er fand nichts. Wie mir meine Mutter später erzählte, hatte sie die Zettel vor dem Öffnen der Tür meiner Schwester zugesteckt, die sie sicher verbarg.“13[Rechtschreibung im Original]
Johanna Kresse, 1962
Nachdem im August 1934 die illegale Bezirksleitung Leipzig West, die die Stadtteile Lindenau, Plagwitz und Zschocher umfasste, verhaftet und somit zerschlagen wurde, kamen die verbliebenen Genoss:innen auf Heft zu und baten ihn die Aufgabe fortzuführen. Da er zunächst zögerte, wurde ein Treffen mit Maria Krollman, verabredet. Sie war kurz zuvor aus Moskau nach Leipzig gekommen und war für die Koordinierung der Unterbezirke der illegalen KPD zuständig. Bei einer konspirativen Zusammenkunft auf dem Leipziger Augustusplatz, überzeugte sie ihn schließlich und Heft nahm Kontakt mit seinem alten Bekannten Karl Enders auf, der sich um die Reorganisation der KPD in Lindenau kümmerte.14
Unterstützt wurden sie dabei von dem Hamburger Kommunisten Friedrich (Fiete) Dettmann, der nach einem kurzen Aufenthalt in der Sowjetunion, die illegale Leitung der KPD im Bezirk Leipzig übernahm. Zusammen mit Enders verteilte Heft illegale Zeitungen und Broschüren, die nach Leipzig geschmuggelt wurden, verwaltete Mitgliedsbeiträge und versuchte Kontakte ins Leipziger Umland aufzubauen. Es kam zu mehreren Treffen mit Genoss:innen in Borna, Wurzen und Meuselwitz.
Am 11. Dezember 1934 wurde er in seiner Wohnung von der Gestapo verhaftet, schaffte es aber in den Verhören, laut Aussagen der Mitangeklagten, keine Details über seine Tätigkeit preiszugeben. Hans Rößler, der ebenfalls zur Gruppe der Verhafteten gehörte, gab nach 1945 an:
„Als […] meine Verhaftung am 22. Januar 1935 erfolgte, fand eine Gegenüberstellung mit dem Genossen Heft im Leipziger Polizeipräsidium statt. Da gab er an mich nicht zu erkennen. Trotz der Mißhandlung seitens der Gestapo hat er sich sehr tapfer verhalten. Er war für mich ein großes Vorbild; das gab mir Kraft, auch die mir zugefügten Mißhandlungen auszuhalten. […] Dem Karl Heft müßte eigentlich ein Denkmal gesetzt werden; denn er hat bis zum letzten Atemzug für unsere Kommunistische Partei gekämpft.“15 [Rechtschreibung im Original]
Hans Rösler, 1961
Am 15. April 1936 beginnt am Oberlandesgericht Dresden der Prozess gegen insgesamt 14 Personen wegen Vorbereitung zum Hochverrat. Angeklagt wurden zwölf Männer und zwei Frauen. Fast alle wohnten im Leipziger Südwesten. Karl Heft hatte zu dieser Zeit schon 18 Monate Untersuchungshaft hinter sich. Bis auf einen Freispruch, werden alle Mitglieder der Gruppe auch darunter der Lindenauer Karl Enders am 25. April 1936 zu Zuchthausstrafen zwischen 1½ und 9 Jahren verurteilt. Heft und Enders wurden mit 9 bzw. 8 Jahren zu den längsten Strafen verurteilt. Besonders die Aussagen eines ehemaligen Genossen, dem Markthelfer Oskar Alter, belasteten Heft schwer. Er rechnete wahrscheinlich nicht mehr damit, jemals wieder frei zu kommen. Bei Antritt der Strafe soll er zu dem Mitangeklagten Hans Rößler gesagt haben: „Jetzt schlagen sie hinter uns den Sargdeckel zu.“ Seine Untersuchungshaftzeit wurde nicht mit der Strafe verrechnet und so war er insgesamt zehn Jahre in den Gefängnissen in Waldheim und in Zwickau inhaftiert.
Seine Haltung im Prozess wurde von den Mitangeklagten als standhaft beschrieben. Er belastete keine Genoss:innen und bekannte sich zu seiner politischen Einstellung. Dies brachte den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dresden so in Rage, dass er bei der Verurteilung gerufen haben soll: „Der Heft ist ein unverbesserlicher Kommunist, er muss hart bestraft werden.„
Karl Heft litt schon vor seinem Prozess an einer Kehlkopfkrankheit und infizierte sich während der Haft mit Tuberkulose. Die Krankheit und der lange Gefängnisaufenthalt schadeten seiner Gesundheit. Sein Freund Karl Enders, der 1935 zusammen mit Dettmann festgenommen wurde und mit ihm zusammen vor Gericht stand, starb 1938 aufgrund der Haftbedingungen im Zuchthaus Waldheim. Dettmann wurde in einem gesonderten Prozess vor dem Volksgerichtshof in Berlin zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Er überlebte die Haft und kam mit der Befreiung Deutschlands im Mai 1945 frei und lebte bis 1970 in Stralsund.
Als Heft im Frühjahr 1944 aus Waldheim entlassen wurde, war er durch die Tuberkulose-Infektion so geschwächt, dass er in die Heilanstalt Untergöltzsch gebracht werden musste. Die Heilanstalt ist zu diesem Zeitpunkt in so einem schlechten Zustand, das es nicht möglich war die Patient:innen ausreichend zu versorgen. Nur durch die Hilfe von Kurt Kresse und Otto Engert konnten Lebensmittel in die Heilanstalt gebracht werden. Karl Heft konnte sich dort soweit erholen, dass er entlassen wurde.18 Im Juni 1944 kehrte er wieder nach Kleinzschocher zu seiner Familie zurück. Seine erstgeborene Tochter Hildegard traf er dort nicht mehr an. Sie war knapp zwei Jahre zuvor gestorben. Karl Heft erlebte die Befreiung Leipzigs durch die Soldat:innen der US-Armee nicht mehr. Nachdem seine Genossen Kurt Kresse, Georg Schumann und Otto Engert im Juli 1944 verhaftet und im Januar 1945 zu Tode verurteilt und hingerichtet wurden, erlitt Karl Heft einen Schock und damit verbunden einen gesundheitlichen Rückfall.
Er starb am 04. Februar 1945 wenige Wochen vor dem Ende der Naziherrschaft. Zusammen mit seiner Tochter Hildegard wurde er auf dem Friedhof Kleinzschocher bestattet. Das Grab wurde in den 1990er Jahren aufgelöst und die Gebeine von Karl Heft umgebettet und mit einem eigenen Grabstein versehen.20 Am 20. Juni 1965 wurde eine Straße in Großzschocher nach ihm benannt.
Quellen:
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, ADS 912, Bericht über die Erfüllung des Forschungsauftrages „Karl Heft“ ↩︎
- Sächsisches Staatsarchiv, (SächsStA-C), 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 5300 ↩︎
- Siehe Leipziger Telefonbuch 1914 -1921, https://adressbuecher.sachsendigital.de/ ↩︎
- Sächsisches Staatsarchiv, (SächsStA-L), 21692 SED, Sammlung Erinnerungen, Nr. V/5/083 ↩︎
- SächsStA-L, 21692 SED, Sammlung Erinnerungen, Nr. V/5/234 ↩︎
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, ADS 912, Bericht über die Erfüllung des Forschungsauftrages „Karl Heft“ ↩︎
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inventar-Nr. F/12330/AB ↩︎
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, ADS 912, Bericht über die Erfüllung des Forschungsauftrages „Karl Heft“ . ↩︎
- Schumann, Dirk: Politische Gewalt in der Weimarer Republik 1918–1933. Kampf um die Straße und Furcht vor dem Bürgerkrieg, Essen 2001, S. 203–210. ↩︎
- SächsStA-L ,21692 SED, Sammlung Erinnerungen, Nr. V/5/083 ↩︎
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, ADS 912, Bericht über die Erfüllung des Forschungsauftrages „Karl Heft“ ↩︎
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inventar-Nr. F/ADS/912 ↩︎
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, ADS 912, Bericht über die Erfüllung des Forschungsauftrages „Karl Heft“ ↩︎
- SächsStA-C, 30071 Zuchthaus Zwickau, Nr. 5300 ↩︎
- SächsStA-L, 21692 SED, Sammlung Erinnerungen, Nr. V/5/234 ↩︎
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inventar-Nr. F/2055/AB ↩︎
- Ebd. ↩︎
- Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, ADS 912, Bericht über die Erfüllung des Forschungsauftrages „Karl Heft“ ↩︎
- Ebd. ↩︎
- Laut Friedhofsverwaltung Leipzig ↩︎