Karl Bogen

Luckaer Straße 18

In der Luckaer Straße 18a wohnte der Klempner Karl Bogen. Er wurde 1945 in Gusen einem Außenlager des KZ Mauthausen von den Nationalsozialisten ermordet. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits 11 Jahre in Haft. Fast die gesamte Zeit der Nazidiktatur verbrachte er in Zuchthäusern und der Hölle der Konzentrationslager. Sein Leidensweg begann mit seiner Verhaftung im Jahr 1934. Er hatte einen Kleingarten in der Gartensparte des Vereins zur Naturgemäßen Gesundheitspflege, im Volksmud Nat´l genannt. In diesem Kleingarten war ein Druck- und Vervielfältigungsapparat versteckt, mit dessen Hilfe Propagandamaterial gegen die Nazis gedruckt wurde.

vom Arbeiter zum Revolutionär

Karl Bogen, beim seinem Haftantritt 1935.

Reorganisation und Widerstand

Als 1933 die Jagd der Nationalsozialisten auf ihre politischen Gegner:innen begann, waren vor allem Mitglieder der kommunistischen Partei ihre ersten Opfer. Schnell wurden Organisationsstrukturen zerschlagen und führende Funktionär:innen verhaftet. Deshalb mussten neue Strukturen aufgebaut werden. Deren Ziel war es vor allem Gelder zu sammeln um die illegale Arbeit zu finanzieren und Familien von Inhaftierten zu unterstützen. Ebenso wurde versucht, der Propaganda der Nationalsozialisten etwas entgegenzusetzen. Dies geschah durch Flugblätter und eigene Zeitungen, die entweder im Ausland produziert und nach Deutschland geschmuggelt wurden oder illegal an versteckten Orten hergestellt und dann unter der Hand verteilt wurden.

Im Sommer 1934 beginnt er selbst Propagandamaterial herzustellen. Über die illegalen Strukturen wurden ihm ein Vervielfältigungsapparat, eine Druckmaschine und Material zu Verfügung gestellt um vor Ort wieder Propagandamaterial drucken zu können. Karl Bogen sorgte zu nächst dafür, einen sicheren Ort für dieses Material zu schaffen. Dafür präpariert er seine Gartenlaube. Er legt einen kleinen Keller an, dessen Wände er mit Holzplatten verkleidet. Hinter der Verkleidung versteckt er die Druckutensilien. Die Konstruktion des Verstecks war so ausgefeilt, dass die Beamten der Gestapo bei einer späteren Durchsuchung der Laube keine Hinweise auf das Versteck finden konnten. Karl Bogen druckte Flugblätter und Broschüren. Unter anderem eine sogenannte Betriebszeitung mit dem Namen „Roter Hammer“, die in der Gießerei Meier&Weichelt in Großzschocher unter der Hand an die Belegschaft verteilt wurde.

Eines der illegalen Flugblätter die die KPD 1934 verteilte. Es wurde von dem später ermordeten Maler und KPD Mitglied Alfred Frank entworfen. Ob Karl Bogen genau dieses Flugblatt vervielfältig hat ist allerdings unbekannt.

Die Verteilung wurde unter absoluter Geheimhaltung organisiert. Teilweise trugen die Kuriere Frauenkleider um sich zu tarnen. Für die Verteilung war auch Bogens Nachbar und Genosse Max Mutterlose verantwortlich, der wenige Häuser weiter in der heutigen Kötzschauerstraße 10 wohnte. Im Herbst 1934 kam es zu einer weiteren Verhaftungswelle in deren Zuge auch Karl Bogen enttarnt wurde. Bei einem der illegalen Funktionäre, war bei einer Hausdurchsuchung eine Liste von Namen und Adressen illegal arbeitender Kommunisten gefunden worden. Die Gestapo verhaftete und folterte die auf der Liste Stehenden und konnte so immer tiefer in die illegalen Strukturen eindringen.

Verfolgung und Verhaftung

Am 04.10.1934 wurde schließlich auch Karl Bogen verhaftet. Er sollte nicht mehr in Freiheit kommen. Einer seiner Mithäftlinge, Paul Märtz, schilderte in einem Erinnerungsbericht die Haftzeit im Polizeigefängnis Leipzig. Karl Bogen wurden von der Gestapo verprügelt und über mehrere Tage verhört. Das Gefängnis war zu dieser Zeit vollkommen überfüllt. In den Zellen hörten die Gefangenen, wie ihre Leidensgenossen bei Verhören zusammengeschlagen und gefoltert wurden. Teils wurden Informanten in die Zellen eingeschleust um die Gefangenen auszuhorchen. Die Atmosphäre war geprägt von Misstrauen, trotzdem versuchten die meisten Gefangenen so wenig Informationen wie möglich preis zu geben. Im Folgenden zitieren wir aus einem Erinnerungsbericht von Paul Märtz aus dem Jahr 1949. Er beschreibt das Zusammentreffen mit Bogen in der Zelle 49 in der Untersuchungshaftanstalt Leipzig.

Einige Tage war ich allein in der Zelle 49, […] die Gestapo verhaftete täglich unsere Genossen […] Eines morgens gegen neun Uhr öffnete der Schließer die Tür und schob einen mir unbekannten Mann in die Zelle. Der „Neue“ blieb an der Schwelle stehen und machte mit eingewinkelten Armen Kreisbewegungen, als wollt er prüfen, ob noch alle Gelenke seines Oberkörpers beweglich seien. […] Sein Blick war unstetig und verschreckt wie der Blick eines in Freiheit lebenden Tieres, das aus dem Urwald gelockt und plötzlich hinter Gitter eingesperrt wird. Dann rieb der „Zugang“ mit der Hand seine linke Gesichtshälfte. Seine Finger fühlten immer wieder über den Unterkiefer [….] „Verdammt, bald wären mir die Backenknochen zerschlagen worden, nur gut dabei, dass die Schläge von unten geführt wurden und nicht von der Seite, sonst wäre mein Gebiss in Stücke gegangen“

Paul Märtz , im März 1949

Karl Bogens Absicht war es den Vernehmungsbeamten, denen bereits ein Ruf der Grausamkeit vorauseilte, weis zu machen, er hätte die zum Druck des Propagandamaterials notwendigen Apparat auf einer Müllkippe entsorgt. Dann jedoch brach einer der im Herbst ebenfalls verhafteten Genossen unter dem Druck der Vernehmung zusammen und verriet das Versteck von Karl Bogen. Auch Bogen gab nun seine Verteidigungsstrategie auf. Er offenbarte der Gestapo das Versteck im Keller seiner Laube. Karl Bogen wurde am 20.06.1935 zusammen mit 18 anderen Angeklagten wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 3 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus verurteilt. Das Urteil wurde am Oberlandesgericht Dresden verkündet.

Ein Abzugsapparat der Marke Greif wie ihn Karl Bogen zum vervielfältigen von Propagandamaterial nutze.

DAs Ende der Freiheit

Am 04.07.1935 trat er seine Strafe im Zuchthaus Waldheim an. Seine Entlassung wurde auf den 20.08.1938 festgelegt. Obwohl ihm während der Haft von der Anstaltsleitung eine tadellose Führung bescheinigt wurde, wurde er an diesem Tag nicht entlassen. Karl Bogen hatte sich während der Haft zwar nichts zu Schulden kommen lassen, sein Fleiß bei der Arbeit wurde immer wieder ausdrücklich erwähnt, politisch wurde er jedoch nicht als vertrauenswürdig eingestuft.

[…] In politischer Hinsicht ist er ungünstig nicht aufgefallen. Er hat sich in jeder Beziehung zurückhaltend gezeigt. immerhin aber ist der Eindruck der gewesen, dass die langjährigen Bindungen Bogens zum Marxismus einem positiven Erfolge des Vollzuges nicht förderlich gewesen sind. Bogen ist mangels ausreichender Vertrauenswürdigkeit auch nicht in die Oberstufe aufgerückt. Hätten sich Anzeichen einer ernsthaften inneren Wandlung in der bisherigen staatfeindlichen Einstellung gezeigt, so würde das bei den mehreren Beurteilungen während des Vollzuges sicher zum Ausdruck gebracht worden. Zusammenfassend ist vielmehr Bogen als politisch nicht vertrauenswürdig bezeichnet worden.

Unbekannter Regierungsrat, 1939

Von dort wurde er am 02.02.1942 erneut in das Konzentrationslager Majdanek deportiert um dort beim Aufbau des Lagers eingesetzt zu werden. Kurze Zeit zuvor waren ein Großteil der Gefangenen in dem Lager einer Flecktyphus – Epidemie zum Opfer gefallen.

Nach der Befreiung des Konzentrationslager Majdanek inspiziert ein Sowjetsoldat die Funktionsweise der Gaskammern. Durch diesen Schacht wurde Zyklon B in den darunterliegenden Raum geworfen. Die Opfer starben unter starken Schmerzen.3

Im November 1942 kam es zur Erschießung von rund 17 000 Jüdinnen und Juden aus Polen in dem Lager. Welche Arbeiten Karl Bogen im Lager ausführen musste ist zum momentanen Zeitpunkt nicht bekannt. Als im Sommer 1944 die Rote Armee immer weiter vorrückte und sich auf das Lager zubewegte, wurde Bogen in das Konzentrationslager Auschwitz verlegt. Dort blieb er für ca. ein halbes Jahr. Am 25.01.1945 wurde Karl Bogen von Polen nach Österreich, in das Konzentrationslager Mauthausen verschleppt. Dort starb er in Gusen, einem der Außenlager des Konzentrationslager, wann genau ist ungeklärt.

Karl Bogens Frau Anna, war noch während des Krieges nach nach Halle gezogen. 1943 hatte sie die letzte Nachricht ihres Mannes erhalten. 1958 wurde er für tot erklärt. Sein Sohn, der ebenfalls Karl Bogen hieß, lebte später in Süddeutschland.

Quellen

Soweit nicht anders angegeben:


Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 2036 Zuchthaus Waldheim, Nr. 10363

Sächsisches Staatsarchiv, StA-L, 21650 Kurt Massloffl, Nr. 07

Sächsisches Staatsarchiv, StA-L 21692 SED Sammlung Erinnerungen, Nr. 14

  1. DocID 5567772 ,Arolsen Online-Archiv, Individuelle Dokumente Karl Bogen ↩︎
  2. DocID: 5361838 Arolsen Online-Archive, 1.1.5 Konzentrationslager Buchenwald ↩︎
  3. Von Illustrated London NewsOriginal uploader was Goodoldpolonius2 at en.wikipedia – Originally from en.wikipedia; description page is/was here.Veröffentlicht am 14. Oktober 1944, 2006-02-15 (original upload date), Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2248979 ↩︎