Frieda & Max Glaser

Antonienstraße 16

Spätestens seit 1930 wohnten Frieda „Friedel“ Glaser, geb. Adler und Max Glaser in der Antonienstraße 16. Die beiden kannten sich schon seit ihren Jugendjahren. Frieda kam aus einer jüdischen Familie, hatte jedoch ihren Glauben abgelegt und war zum Protestantismus konvertiert. Nach der Machtübergabe an Adolf Hitler wurde sie von den Nationalsozialisten als jüdisch verfolgt und schließlich im Oktober 1942 im Konzentrationslager Auschwitz ermordet.

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Es gab ja damals solche besessene Menschen, dass man schon pepperte, wenn man von einem fremden Bürger oder gar von einem Uniformträger angesprochen wurde bzw. die Klingel an der Wohnungstür ertönte. Das ist bis heute noch nicht aus den Gliedern. Viele von denen wissen heute nichts mehr davon, Ich sagte schon manchem: Ihr Nazis habt alles vergessen, wir aber nichts!

Max Glaser, 19576

Ächtung und Denunzation

Es gab Leute die in den Läden auf uns, speziell aber auf meine Frau hinwiesen, dass sie Jüdin sei. Der Kriminalbeamte Sander, der gleich um die Ecke wohnte, hat einmal bei der Polizei angezeigt, dass wir mal ausnahmsweise einen Teppich am Nachmittag geklopft haben und dann hat er zu verschiedenen gesagt, dass sie mit dem Judenschwein nicht sprechen dürften.

Max Glaser, 19577

Das Novemberpogrom von 1938, bei dem es zu Verhaftungen ihrer jüdischen Nachbarn kam z.B. bei den Schlesingers, die im Haus gegenüber wohnten, überstanden die beiden unversehrt. Allerdings waren die schrecklichen Ereignisse auch für die Glasers wie für die meisten anderen jüdischen Leipziger:innen eine Weckruf. Sie versuchten aus Leipzig zu flüchten. Ziel waren die USA. Frieda und Max besorgten sich die nötigen Papiere, sogar amerikanische Reisepässe waren schon vorhanden. Nachdem Deutschland jedoch 1939 mit dem Angriff auf Polen den Zweiten Weltkrieg begann, war eine Ausreise nicht mehr möglich. Die Glasers blieben in Leipzig.

Max Glaser nach 19458

Deportation und Zwangsarbeit

Am nächsten morgen bin ich gleich wieder hin […] dort erklärte man mir […] es würde lediglich eine Kennkarte ausgestellt in der Wächterstraße. Ich bin dann tatsächlich dort oben im vierten Stock gewesen und wollte darum bitten, dass das möglichst noch heute erledigt wird, weil ich tatsächlich der Meinung war, die Freundlichkeit der Herren von der Gestapo sei echt gewesen. Kurze Zeit später, als ich immer wieder vorsprach (auch in der Karl-Heine-Straße und zuletzt in der Auenstrasse) Lernte ich die andere Seite kennen, denn dann kamen die Drohungen, wenn ich nicht bald Ruhe liesse, dann würde man mich einsperren. […] Dann aber könnte ich gar nichts mehr für meine Frau tun […]

Max Glaser, 1957

Max Glaser sollte erst ein Jahr später vom Tod seiner Frau erfahren. Die Beamten spielten den Sachverhalt auf zynische Weise herunter. Er wäre ja noch jung, wurde dem fast 50-jährigem Max gesagt und könne sich ja noch eine andere Frau suchen, dann würde er den Verlust leichter verschmerzen. Zu diesem Zeitpunkt war Max bereits Zwangsverpflichtet und musste bei der Feuerwehr arbeiten. Bei der schweren Arbeit zog er sich eine Herzerkrankung zu, die ihn den Rest seines Lebens begleitet. Bis zum Ende des Krieges musste er Zwangsarbeit leisten und geriet dann in Gefangenschaft aus der er erst 1946 entlassen wurde. Bis 1974 lebte er mit seiner zweiten Frau Elisabeth in der Antonienstraße. Am 17.7.1974 starb er im Alter von 77 Jahren.

Quellen:

  1. Ellis Island und andere New York Passagierlisten, 1820-1957
    MyHeritage.com [online database], MyHeritage Ltd.
    https://www.myheritage.de/research/collection-10512/ellis-island-und-andere-new-york-passagierlisten-1820-1957 ↩︎
  2. Leipziger Adressbuch 1914 ↩︎
  3. Sächsisches Staatsarchiv Sta-L, 20237, Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 13195 ↩︎
  4. Vereinigte Staaten 1. Weltkrieg registrationsrentwürfe, 1917-1918
    MyHeritage.com [online database], MyHeritage Ltd.
    https://www.myheritage.de/research/collection-10513/vereinigte-staaten-1-weltkrieg-registrationsrentwurfe-1917-1918 ↩︎
  5. Ellis Island und andere New York Passagierlisten, 1820-1957
    MyHeritage.com [online database], MyHeritage Ltd.
    https://www.myheritage.de/research/collection-10512/ellis-island-und-andere-new-york-passagierlisten-1820-1957 ↩︎ ↩︎
  6. siehe Fußnote 3 ↩︎
  7. siehe Fußnote 3 ↩︎
  8. Siehe Fußnote 3 ↩︎
  9. In seinen Erinnerungen schreibt Max Glaser fälschlicherweise von der „Weststraße 34“. Da sich diese jedoch im Leipziger Ortsteils Lindenthal befindet und zu diesem Zeitpunkt noch nicht bebaut war, gehen wir hier von einer Verwechslung aus. In der Wächterstraße 34 befand sich die Außenstelle des Sicherheitsdienst . ↩︎
  10. Archiwum Muzeum Auschwitz-Birkenau, Death Books, Frieda Glaser ↩︎