Familie Aksen

Rolf-Axen-Straße 4a

Sophie & Bernhard Aksen

Rolf und Hermann Axen als Kinder, eines der wenigen Fotos der Zeit vor 1933 das von der Familie überliefert ist6

Rote Jugend in Zschocher

“ Das soziale Milieu des Leipziger Stadtviertels hatte auf mich einen großen Einfluss. In unserm Hause wohnten Facharbeiter, Kaufleute, Intellektuelle. Großbourgeoisie [reiche Menschen aus der Oberschicht, Anmerk. d. Verf.] gab es in diesem Viertel nicht. Aus meiner Kindheit erinnere ich mich an die Hungermärsche, die Inflation. […] Ein großer Teil der Arbeiter unseres Stadtviertels waren Sozialdemokraten. Stark war die Arbeitersportbewegung entwickelt. Hier waren die Sozialdemokraten wie die Kommunisten sehr aktiv. Es gab auch Arbeitergesangsvereine. Manche Leute aus der Nachbarschaft gehörten dem Zentrum [eine christlich – konservative Partei, Anmerk. d. Verf. ] an. Nazis gab es kaum bei uns. Das änderte sich erst 1933.“

Hermann Axen, 1996

Eine Demonstration der „Proletarischen Freidenker“ zieht um 1925 durch die Straßen von Kleinzschocher8

Den Haupteinfluß auf meine Entwicklung haben allerdings nicht meine Eltern ausgeübt. Es war mein Bruder. […] Seine Schulbildung hatte er in einer jüdisch-israelitischen Realschule erhalten, wo er nach zehn Klassen die mittlere Reife erwarb. Aus Protest gegen die Berufswünsche meiner Eltern, denen zufolge er als jüdischer Junge Kaufmann werden sollte, lernte mein Bruder Schlosser, und zwar bei einem kommunistischen Handwerksmeister mit einer kleinen Werkstatt in Lindenau. […] Mein Bruder war sehr begabt und belesen. Er war ein hervorragender Redner, der mit einfachen Worten die Leute ansprechen konnte.“

Herman Axen, 1992

Gertrud Schieschke-Plättner 194510

Karl Plättner nach seiner Verhaftung 191713

Passbild von Rudolf Aksen, ca. 192315
Hermann Axen als FdJ-Funktionär im Jahr 194616

Die Grabstätte von Rolf Aksen auf dem Jüdischen Dresdner Friedhof.20

Wenige Wochen nach dem Tod von Rolf Aksen, boten Funktionäre der illegal arbeitenden KPD seiner Familie an, sie in die Sowjetunion zu bringen. Bernhard Aksen lehnte jedoch ab. Das Angebot wurde an Gertrud weitergereicht, die auch einwilligte. Kurz darauf wurde sie jedoch erneut verhaftet und verbrachte sechs Monate in Untersuchungshaft. Ihr wurde vorgeworfen, an der Herausgabe der illegalen Sächsischen Arbeiter Zeitung beteiligt gewesen zu sein. Jedoch fehlten die Beweise und sie musste wieder entlassen werden, danach blieb sie in Leipzig und schloß sich, nach eigenen Aussagen, später der Gruppe um Wiliam Zipperer an.


Für die Familie Aksen begannen nach der Ermordung ihres ältesten Sohns harte Zeiten. Hermann Axen musste die Schule verlassen und begann eine Lehre, Berhard Aksen musste sein Geschäft schließen und war so ohne Einkommen, Sophie Aksen erkrankte schwer. Im November 1934 wurde Hermann Axen ebenfalls wegen Vorbereitung zum Hochverrat verhaftet und Ende 1935 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Nach seiner Entlassung 1937 wurde er aufgrund seiner Staatenlosigkeit ausgewiesen und ging nach Frankreich, um dort im Kreis anderer deutscher antifaschistischer Emigrant:innen politisch aktiv zu sein.

Das Haus in dem die Familie Aksen wohnte in der damaligen Bahnhofstraße in den 1920er Jahren.21

„Sie gingen in die Geburtsstadt meines Vaters nach Lwow (Lemberg), wo mein Vater noch eine jüngere Schwester hatte. Ich hatte kaum Informationen. Ich bekam lediglich eine Karte meines Vaters aus Polen und dann einen Brief bereits aus der Sowjetunion. In diesem Brief schrieb mein Vater, dass die sowjetischen Behörden zur Kenntnis genommen hätten, dass seine Söhne Kommunisten waren und einer von ihnen ermordet wurde. Daraufhin bekam er, wie er schrieb, sofort die sowjetische Staatsbürgerschaft und wurde – wegen seiner Fachkenntnisse in der Möbelbranche – Lagerverwalter einer Möbelgroßhandelsfirma in Lemberg, […] Meine Eltern hatten eine eigene Wohnung bekommen und es ging ihnen gut. In einem zweiten Brief teilten mir meine Eltern mit, dass sie die Möglichkeit bekommen hätten, für acht Tage in einem Kurort in der Nähe von Odessa Urlaub zu machen. Das war die letzte Nachricht von meinen Eltern.“

Hermann Axen 1992

Wahrscheinlich wurden Sophie und Berhard Aksen nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Lwiw ermordet.22

Hermann Axen wurde 1940 in Frankreich verhaftet und in dem Sammellager Le Vernet bis 1942 interniert und dann nach Deutschland ausgeliefert. Er wurde nach Auschwitz in das Lager III Monowitz deportiert und kam später nach Buchenwald. Er überlebte die Zeit im Lager und wurde später ein hochrangiger Funktionär der SED.

Quellen:

  1. Sächsisches Staatsarchiv, 20237 Bezirkstag / Rat des Bezirkes Leipzig, Nr. 1752
    Zur Schreibweise Aksen/Axen. Die Familie änderte, wahrscheinlich 1937, ihren Namen von Aksen zu Axen, zumindest findet sich die Familie ab 1938 im Leipziger Telefonbuch unter dem Namen Axen. Es ist davon auszugehen, dass dies geschah, um den Namen einzudeutschen. Ob freiwillig oder durch Zwang ist nicht bekannt. Hermann Axen änderte auch nach 1945 seinen Namen nicht wieder in Aksen. Trotzdem nutzen wir in diesem Text, mit Ausnahme für Hermann Axen, die Schreibweise Aksen, da dies der ursprüngliche Name der Familie ist und ohne die rassistisch bedingte Ausgrenzung durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft und die Hetze der Nationalsozialisten wahrscheinlich nicht geändert worden wäre. Der (wahrscheinlich) ursprüngliche Grabstein von Rudolf Aksen trägt ebenfalls den Nachnamen in seiner ursprünglichen Schreibweise. Für Hermann Axen wird die Schreibweise Axen verwendet. ↩︎
  2. Axen, Hermann 1996: Ich war ein Diener der Partei, edition ostt ↩︎
  3. Ebd. ↩︎
  4. Leipziger Adressbuch, 1915, Teil 1 S.5, online unter https://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/92594/37# ↩︎
  5. Axen, Hermann 1996: Ich war ein Diener der Partei, edition ost ↩︎
  6. Stadtgeschichtliches Museum, MOG10063 ↩︎
  7. Axen, Hermann 1996: Ich war ein Diener der Partei, edition ost. ↩︎
  8. Stadtgeschichtliches Museum, Inventar-Nr. F/4886/AB ↩︎
  9. Ulrich, Volker 2000: Karl Plättner – der ruhelose Rebell, C.H. Beck Verlag, München. ↩︎
  10. SächStA-L, 20237, Bezirkstag und Rat des Bezirkes Leipzig Nr. 16520 ↩︎
  11. Dr. Hoyer, Guido: Karl Plättner (1893–1945), Wege und Irrwege eines deutschen Kommunisten in: https://freising-im-nationalsozialismus.de/karl-plaettner-1893-1945-wege-und-irrwege-eines-deutschen-kommunisten/. ↩︎
  12. Ebd. ↩︎
  13. Foto: Bundesarchiv Berlin ↩︎
  14. SächsSta-L, 21692, SED, Sammlung Erinnerungen, Nr. V/5/250. ↩︎
  15. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Inventar-Nr. F/2075/AB ↩︎
  16. Von Deutsche Fotothek‎, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=70571748 ↩︎
  17. SächsSta-L, 21692, SED, Sammlung Erinnerungen, Nr. V/5/250 ↩︎
  18. Ebd. ↩︎
  19. Erkämpft das Menschenrecht – Lebensbilder und letzte Briefe antifaschistischer Widerstandskämpfer, 1985, Dietzmann Verlag Berlin. ↩︎
  20. Von Dr. Bernd Gross – Selbst fotografiert, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=66208595 ↩︎
  21. Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, PK 4871/7 ↩︎
  22. Axen, Hermann, 1996: Ich war ein Diener der Partei, edition ost ↩︎
  23. Liebsch, Heike (Hrsg.) 2021: Der Neue Israelitische Friedhof in Dresden. Herausgegeben von HATiKVA – Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen e.V. Hentrich & Hentrich Verlag, Berlin Leipzig. ↩︎